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Lange Pendelwege, viel zu tun, kalter Regen, wenig Zeit und dennoch: 50.000 Schritte

In Bewegung bleiben trotz Hetze, trotz Großstadt

„Zu Fuß gehen ist die beste Medizin,“ behaupten viele. Auch dem Radfahren werden gesundheitliche Vorteile gegenüber dem Autofahren zugeschrieben. Alle sind sich einig – regelmäßige Bewegung stärkt die Gesundheit. Sicherlich ist der innere Schweinehund für einen kurzen Spaziergang leichter zu überwinden als für eine Jogging-Runde. Durch das Zufußgehen fällt die stressige Parkplatzsuche mit dem Auto, klimaschädliche Abgase und belastender Lärm weg und die frische Luft trägt zum psychischen Wohlbefinden bei.


Doch wie viele Schritte sollte man täglich im Hinblick auf seine Gesundheit erzielen?

Hier scheiden sich die Geister. Am bekanntesten ist die Zahl 10.000 Schritte pro Tag. Doch macht das Sinn? Während ein Briefträger täglich so gut wie doppelt so viele Schritte geht, kann ein Büroangestellter froh sein, wenn er bei der Arbeit auf 2.000 Schritte kommt. Ich denke, wenn ein Mensch normalerweise täglich nur 2.000 Schritte geht, ist seine Gesundheit und dem Klima schon viel geholfen, wenn er vorsichtig beginnt, z.B. mit dem Ziel von 3.000 Schritten, und sich dann langsam steigert.


Zu mir


Von Natur aus sportlich, jedoch im Alltag recht gehfaul. Zur Arbeit pendele ich mit dem Bus, 50 Kilometer hin und dieselbe Strecke zurück.


Da in Hamburg, wo ich wohne, der öffentliche Personennahverkehr gut ausgebaut ist, bin ich gerne mit S-Bahn und Bus unterwegs. Die Haltestellen sind eng vernetzt und Ziele können häufig direkt erreicht werden. So gehe ich wenig zu Fuß.


Mein Durchschnittsalltag: Um 5 Uhr wache ich auf, gehe zur Arbeit, bin meist gegen 18 Uhr zurück und nutze die restliche Zeit unterschiedlich: mit Einkaufen, Kochen, Wohnung Aufräumen, Gassi führen meines Hundes, Freunde treffen, Fernsehen und andere Hobbies. Um 22 Uhr geh ich schlafen. Meiner Gesundheit und mein Wohlbefinden sind und waren schon immer meine Priori-tät; Schlaf ist für mich eine wichtige Komponente und davon brauche ich acht Stunden am Tag.


Der Gedanke, nach der Arbeit mehrere tausend Schritte zusätzlich zu gehen, schreckte mich ab. Vor allem im Winter – als Frostbeule neige ich dazu schnell zu frieren und ich bin kein großer Fan vom kalten Regen. Im Sinne des Klimaschutzes wollte ich jedoch testen, wie gut sich dies in meinem Alltag integrieren lässt, und ob die häufig publizierten Artikel das mehr Zufußgehen einfacher darstellen als es tatsächlich ist. Da ich einen klassischen Bürojob habe, jedoch durch die Nutzung von Bus und Bahn mehr Schritte gehe als ein autofahrender Büroangestellter, entschied ich mich, für eine Woche 7.000 Schritte täglich zu gehen, das heißt insgesamt knapp 50.000. Oha!


Die Herausforderung nehme ich an. Ist ja nur für eine Woche. Und wenn es gar nicht klappt, kann ich ja immer abbrechen. Ich muss das ja nicht durchziehen, doch versuchen möchte ich es. Denn es geht um meine Gesundheit und um die Umwelt. Wenn jeder Bürger wöchentlich ein paar Autofahrten durch Zufußgehen bzw. Fahrradfahren ersetzen würde, käme der Klimaschutz in Deutschland deutlich voran.


Die Richtige App


Da ich weder einen Fitnessband besitze, noch für ein Neues Geld investieren möchte,müssen die Schritte auf eine andere Art gezählt werden. Zum Glück gibt es das Smartphone, auf dem beliebige Programme bzw. Applikationen (kurz „Apps“) installiert werden können. Anscheinend ist das Smartphone auch „smart“ genug, Schritte mit einer geeigneten App zu zählen.Also, machte ich mich im App-Dschungel auf der Suche nach der richtigen App. Um mir das ganze leichter zu machen, installierte ich die erste App, die ich finde, und aktiviere die Zählung. Zum Glück bin ich auch „smart“ genug (oder auch nur neugierig?), nach ein paar Minuten die von mir gegangenen Schritte zu kontrollieren. 508 Schritte? Das kann nicht sein. Ich installiere drei weitere ähnliche Apps zu installieren und lasse sie parallel laufen. Diesmal zähle ich mit. Voilà! Und schon habe ich meine App gefunden.


Es kann losgehen!


Gehen statt stehen!


Zugegeben, in einer Stadt wie Hamburg ist ein Auto relativ überflüssig. Mit Fahrrad, Bus und Bahn kommt man meist schneller als mit dem Auto voran, allein deshalb, weil man sich die Parkplatzsuche erspart. Auch ich bin fast nur mit öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs. Auto dann nur, wenn ich einen Trip zu Ikea oder zum Snowdome plane (via Carsharing bzw. Mitfahrgelegenheit).


In der Versuchswoche denke ich oft daran, wie ich meine Schrittzahl erreiche…warum nicht einfach zur übernächsten Haltestelle gehen? Bis dahin habe ein paar Schrittchen gesammelt. Die Wartezeit beträgt sieben Minuten. Ich gehe los. Angekommen sehe ich, dass ich nur 1 Minute auf den Bus warten muss. Die Zeit ging schnell vorbei. Ich bin so begeistert, dass ich das nun öfters wiederhole. Lieber sich warmlaufen als im Kalten zu stehen.


Einkaufsmarathon

Es ist mal wieder an der Zeit, einkaufen zu gehen. Und wenn ich schon dabei bin, warum nicht gleich Haare schneiden gehen und genüssliche Stunden in Drogeriemarkt damit verbringen den besten Shampoo für meine Haare zu suchen. In der Naturkosmetik-Abteilung, versteht sich. Und wenn ich schon dabei bin, warum nicht gleich zum Einkaufszentrum laufen? Nur drei Haltestellen von meinem Zuhause entfernt und da drin bin ich vor jedem Unwetter geschützt.


Eilig habe ich es auch nicht, es scheint trocken zu bleiben, also mach ich mich gemütlich zu Fuß auf den Weg zur Einkaufsmeile. In Gedanken versunken war ich schneller da als gedacht und einmal da, fiel mir gleich viel mehr ein was ich gleich erledigen könnte. Dort verbringe ich den ganzen Abend mit Friseur und Window-Shopping -ein echter Marathon – und kaufe doch mehr ein als ich wollte. Der Magen knurrt. Zeit nach Hause zu gehen. Ich gucke auf die Uhr, schon so spät! Ich hatte doch mehr einkauft als ich geplant. Und den ganzen Rückweg in der dunklen Kälte möchte ich nicht mehr. Schließlich bin ich (gefühlt!) ein Marathon im Einkaufszentrum gelaufen. Ich checke in der App: 16.235 Schritte! Da staune ich. Erlaubnis erteilt, ich klopf mir selbst auf die Schulter und belohne mich damit, mit dem Bus nach Hause zu kutschieren.

Ein erfolgreicher Tag!


Im Regen tanzen


Mein Hund liebt Regen. Er liebt Wasser. Die Kombi ist einfach unwiderstehlich. Sein Traum? Im See zu plantschen, während es regnet. Was für ein Glück, dass Frauchen ihre Schritte sammeln möchte.


Es gießt. Manchmal sogar horizontal. Durch Windböen werden die Regentropfen gefühlt von jeder Himmelsrichtung, sogar vom Boden aus auf mich geschleudert. Es gibt kein Entkommen. Ich schau aus dem Fenster, spüre den fragenden Blick meines Hundes, Schwanz klopft auf dem Boden in freudiger Erwartung. Mein tropisches Herz seufzt.


Ich denk an die Holländer, die sicherlich auch unter apokalyptischen Wetterbedingungen fröhlich im Freien herumfietsen, und wiederhole innerlich: „es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“. Regenstiefel, angewandtes Zwiebelprinzip vom Feinsten, Mütze, Handschuhe, Regenponcho, Schirm… ich bin bereit! Schal so umgewickelt, dass nur die Augen rausgucken. Ich schau in den Spiegel. Der Michelin-Mann hätte würde sich glatt in mich verlieben.


Ich trete aus dem Haus. Hundi schnüffelt schwanzwedelnd neben mir. Immun zur kalten Nässe, entdeckte ich Pfützen und trete absichtlich hinein. Mein inneres Kind wacht auf und ich genieße den Spaziergang. Die Luft hatte einen reinen, natürlichen, erdigen Duft. Die Regentropfen plätscherten melodisch auf den Boden. Die Wege sind menschenleer, es ist ruhig und friedlich. Die typische Hektik des Alltags ist wie weggewaschen; die Zeit bleibt stehen. Ich nutze die Zeit und hol mir einen Kuchen für später am Backer. Eine knappe halbe Stunde später mache ich mich auf dem Weg nach Hause da mein Hund komplett durchnässt war und ich nicht will, dass er sich die Erkältung des Jahres holt. Zuhause hänge ich meine nassen Sachen im Badezimmer auf. Und mache es mir gemütlich. Es hat wirklich Spaß gemacht, ich fühle mich nach dem Spaziergang richtig erholt. Und meine 7.000 Schritte habe ich wieder locker geschafft.


Mein fauler Sonntag


Der letzte Tag. Heute bin ich faul. Ich schlafe lange. Als ich aufwache, knurrt der Magen. Ich möchte gerne etwas frühstücken. Und da ich kein Brot habe, überlege ich mir zum nächsten Bäcker zu gehen. Als ich schon unterwegs war bin, entschied ich mich, entspannt zum Hauptbahnhof zu spazieren, das ist zu Fuß ca. eine halbe Stunde. Da hat ein Bäcker mein Lieblingsbrot.


Die Sonne scheint zur Abwechslung und ich singe fröhlich zu meiner Lieblinksmusik, die ich über meine Kopfhörer genieße. Zurück fahre ich mit der S-Bahn, man muss ja nicht gleich übertreiben. Frühstück ist sehr lecker und auch wohl verdient. Im Nachhinein schaute ich, wieviel ich gelaufen bin…knapp 2,6 Kilometer. Nicht schlecht.


Fazit

Ergebnis: 83.718 Gesamtschritte; 11.959

Tagesdurschnittschritte; ca. 61,9 Kilometer



Staunen pur. Mein Ziel von 50.000 habe ich deutlich überschritten. Und das Ganze ohne festen Plan! Natürlich hatte ich im Hinterkopf immer die Absicht, so viel wie möglich zu Fuß zu gehen. Allerdings war mir nicht bewusst, dass ich so viel gelaufen bin! Und das Beste daran, das zu Fußgehen fühlt sich wirklich gut an! Mein Alltag ist ziemlich eng, und es half mir sehr, dass sich das Ganze mit meinen normalen Aktivitäten kombinieren ließ. Ich musste also nicht zusätzlich viel Zeit einplanen, um 7.000 Schritte zurückzulegen.


Wenn ich jedes Mal zur übernächsten Haltestelle zu Fuß gehe, dann erreiche ich auch leicht meine 7.000 Schritte. Die ersten tausend Schritte erreichte ich alleine dadurch, dass ich mit Bus und Bahn pendelte und demnach fünf Minuten Fußweg zur Arbeit hatte. Am erstaunlichsten fand ich tatsächlich das Gefühl, im Regen spazieren zu gehen. Es war ein wirklich ein schönes Erlebnis, das ich sicher wiederholen werde!



Was mir am meisten half, und was ich jedem auch empfehlen kann ist, sich kleine Ziele zu setzen. Schritt für Schritt zu gehen und diese an den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Ich hatte kein Druck, weil ich wusste, dass ich das nicht durchziehen muss. Jedoch war es fast jedes Mal so, dass ich, wenn ich z.B. zur nächsten Haltestelle gelaufen bin, mich beim Gehen entschlossen habe, doch bis zur übernächsten Haltestelle zu gehen, weil es sich so ging und die Bewegung sich gut anfühlte. Zugegeben, mein Hund war auch ein zusätzlicher Motivationsfaktor.


Würde ich in einem Jahr alleine jede zweite Woche versuchen, mehr Schritte zu gehen, würde ich in einem Jahr 11.300 Kilometer hinterlegen!! Das bedeutet, über 1,6 Tonnen weniger CO2 Ausstoß (im Gegenzug zum Autofahren), weniger Spritkosten, mehr Gesundheit, besseres Klima. Wenn das kein zusätzlicher Motivationsschub ist!


Kann ich nur jedem weiterempfehlen, ich bleibe definitiv dabei. Schritt für Schritt. Denn meine Gesundheit und meine Umwelt, sind mir Goldwert.



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